Dem menschlichen Arm nachempfunden

Das Greifen und Begreifen von Gegenständen ist für uns Menschen eine Routineaufgabe, der durch jahrelanges Training unserer motorischen Fähigkeiten zu einem selbstverständlichen Automatismus wird. Ein Beispiel gibt folgendes Video.

Für Robotersysteme ist die sogenannte Manipulation (Handhabung) hingegen eine nicht triviale Problemstellung, weshalb Roboter in Bereichen, in denen die physische Interaktion im Vordergrund steht, noch nicht weit verbreitet sind. Im Montagebereich werden zum Beispiel viele Tätigkeiten weiterhin noch von Hand durchgeführt. Weshalb ist das so?

Im Vergleich zu einer reinen Bewegung ist die Komplexität bei physischen Interaktionen um ein Vielfaches höher. Dies liegt vor allem daran, dass neben einer Bewegung auch Kräfte berücksichtigt werden müssen. Es bedarf also eines gewissen Tastsinns.

Diese Problematik ist auch bei der Betrachtung der bisherigen Anwendung von Robotersystemen erkennbar.  Die Aufgabenstellung von konventionellen Robotern ist hauptsächlich das reine Positionieren des Roboters. Als Beispiel sei hier das Pick-and-Place von Bauteilen, also das Bewegen von Bauteilen von A nach B, genannt. Steht hingegen bei Tätigkeiten die physische Interaktion im Vordergrund, lässt sich dies mit einer reinen Positionierung nicht erfolgreich durchführen.

Durch die Verwendung von Kraft-und Momentensensoren wird dem Leichtbauroboter dieser Tastsinn gegeben. Hierzu werden die Kräfte und Momente am Roboter gemessen, um daraus eine Aussage zu treffen, welche Kräfte von extern auf den Roboter wirken. Am Beispiel des im letzten Blogbeitrag gezeigten Videos zum Handguiding sind dies die Kräfte, die durch den Menschen an den Roboter übertragen werden. Dieses Wissen über die Kräfte ist essentiell, da beispielsweise beim Greifen von Gegenständen die Griffkraft einerseits nicht zu klein aber andererseits nicht zu groß sein darf.

Neben dem Tastsinn unterscheiden sich Leichtbauroboter durch ihren mechanischen Aufbau. Als Vorbild dienen hier die menschliche Hand und der Arm, da diese unser Werkzeug für das alltägliche Manipulieren sind. Dazu wurden gewisse biomechanische Aspekte abgeleitet.

Der erste offensichtliche Punkt ist die Baugröße und das Gewicht des Armes. Wie schon der Name erahnen lässt, wird bei Leichtbaurobotern ein großer Fokus auf ein niedriges Eigengewicht gelegt. Dabei ist nicht nur ein möglichst geringes Gewicht das Ziel. Vielmehr unterscheiden sich Leichtbauroboter durch ein deutlich höheres load-to-weight-Verhältnis (mögliche Traglast zu Eigengewicht). Die verringerte Masse im Vergleich zur Last ermöglicht eine verhältnismäßig höhere Agilität, wodurch zudem die Sicherheit bei einer Kollision erhöht wird. Moderne Leichtbauroboter haben ein load-to-weight-Verhältnis von ca. 0.5, d.h. bei 20 kg Eigengewicht können diese Lasten mit 10 kg tragen. 

Des Weiteren sind viele Leichtbaurobotersysteme mit sieben Freiheitsgraden, also sieben Gelenken, ausgestattet. Für eine Bewegung im Raum sind hingegen nur sechs Freiheitsgrade notwendig. Durch die entstandene Redundanz wird selbst in einem kleinen Arbeitsraum eine große Bewegungsfähig gewährleistet. Wie im folgenden Video zu sehen kann zudem bei konstanter Position und Orientierung des End-Effektors der Arm bewegt werden. Auch das ermöglich eine größere Bewegungsfähigkeit.

Da der kollaborative Einsatz, also das Zusammenarbeiten von Menschen und Leichtbaurobotern, im Vordergrund steht, sind einerseits keine scharfen Kanten an der Roboterstruktur zu finden. Andererseits werden Quetsch- und Scherstellen vermieden, sodass alleine aus dem mechanischen Design gewisse Gefahren für den Menschen ausgeschlossen werden können.

Der besondere mechanische Aufbau bzw. der zusätzliche Tastsinn ermöglichen neuartige Fähigkeiten bei Leichtbaurobotersystemen. Diese Konzepte werden wir im nächsten Blogbeitrag behandeln.


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