Die sichere Zusammenarbeit zwischen Menschen und Roboter erfordert besondere Anforderungen an die Sicherheit von Leichtbaurobotersystemen. Im letzten Blogbeitrag wurden dazu die aktiven Sicherheitssysteme vorgestellt. Zum Beispiel ermöglicht die Messung der Kräfte und Momente am Roboter eine sehr schnellen und sensitive Kollisionserkennung im Falle eines ungewollten Kontakts. Dieser Beitrag fokussiert sich hingegen auf die passiven Sicherheitseinrichtungen. Zudem behandelt der Beitrag die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK), also das Zusammenarbeiten von Menschen und Roboter in einem gemeinsamen Arbeitsraum.
Wie der Name schon vermuten lässt, wurde bei der Entwicklung von Leichtbaurobotern auf ein niedriges Eigengewicht geachtet. Durch das verringerte Eigengewicht soll die bei der Roboterbewegung gespeicherte Energie so gering wie möglich gehalten werden. Die kinetische Energie
E = ½ *m*v*v
ist eine physikalische Größe, mit der die Schwere einer Kollision bewertet werden kann. Bei einer Kollision mit hoher kinetischer Energie wird es demnach auch zu großen Schäden kommen.
Die Energie berechnet sich also aus der Masse m mal der quadratischen Geschwindigkeit v. Es ergeben sich also zwei Möglichkeiten, um die Energie bei einer Kollision zu verringern. Erstens, man verringert die Masse und zweitens man verringert die Geschwindigkeit. Letzteres hat zwar durch den quadratischen Einfluss eine größere Wirkung, resultiert aber in eine langsame Roboterbewegung. Deshalb ist die Verringerung der Masse eine Stellschraube, die keine Performanceeinbußen mit sich bringt, wohingegen die Einschränkung der Geschwindigkeit unter Umständen sehr restriktiv sein kann.
Zudem wurde beim mechanischen Design darauf geachtet, dass das Robotersystem keine Ecken und Kanten hat. Diese könnten eine potentielle Gefahrenquelle sein, da dadurch spitze Stellen entstehen. Quetschstellen wurden ebenfalls vollständig beseitigt.
Durch den Leichtbau des Roboters verringert sich jedoch auch die maximale Traglast. Da Leichtbauroboter jedoch in Bereichen und Prozessschritten eingesetzte werden, in denen oft nur geringe Traglasten notwendig sind, ist dies meist nur eine kleine Einschränkung. Zudem kann eine herunterfallende schwere Traglast eine zusätzliche Gefahrenquelle darstellen.
All diese Neuerungen ermöglichen nun prinzipiell eine sichere Zusammenarbeit zwischen Menschen und Roboter im selben Arbeitsraum, die sogenannt Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK). Für ein sicheres Zusammenarbeiten müssen jedoch weitere Punkte beachtet werden.
Da der Roboter nur eine unvollständige Maschine ist und nur in Kombination mit weiteren Anbauten, wie zum Beispiel einem Greifer, produktionstechnischen Mehrwert bringt, muss bei einer Risikobeurteilung die komplette Roboteranlage, bestehend aus Roboter, Werkzeug und sonstige benötigten Apparaturen, gesamtheitlich betrachtet werden. Dabei werden die Sicherheitsrisiken für einen Werker in einer MRK-Anwendung bewertet.
Prinzipiell besteht immer ein gewisser Zielkonflikt zwischen der Produktivität und der Sicherheit eines Systems. Bei MRK-Anwendungen wird die Produktivität über die Leistungsmerkmale der Bewegungsgeschwindigkeit des Roboterarms, die maximale Trägheit und die Positioniergenauigkeit definiert. Alle drei Merkmale müssen jedoch für einen sicheren Betrieb eingeschränkt werden.
Bei der Risikoanalyse werden diese Punkte für die gesamte Roboterautomatisierung (Roboter + Werkzeuge + Werkstück) hinterfragt. Dazu wurden in Normen gewisse Schwellwerte für zulässige Geschwindigkeiten und Kollisionskräfte definiert. Die Einhaltung dieser Grenzwerte wird über Messungen überprüft. Dazu werden die Kräfte gemessen, die bei einer Kollision entstehen. Die Grenzwerte sind dabei von den gefährdeten Körperteilen abhängig. Ist zum Beispiel eine Kollision mit dem Kopf möglich, werden deutlich niedrigere Grenzwerte angesetzt als bei einer Kollision mit dem Fuß.
Zum anderen entsteht zum Beispiel beim Transport (Pick-and-Place) von Bauteilen mit hohen Massen eine weitere Gefahrenquelle durch herabfallende Teile. Auch dies muss ebenfalls bei einer Risikobeurteilung beachtet werden.
Man erkennt also, dass die Beurteilung der Anlagensicherheit unter Umständen sehr komplex sein kann. Wenn jedoch keine direkte und dauerhafte Mensch-Roboter-Kollaboration notwendig ist, sind auch abgeschwächte Formen der sicheren MRK mit weniger sicherheitstechnischem Aufwand möglich.
Wir propagieren deshalb auch immer zu überlegen, ob eine vollständige Mensch-Roboter-Kollaboration überhaupt notwendig ist, oder ob auch über Lichtschranken der Arbeitsbereich ohne Schutzgitter abgegrenzt werden kann. Damit liese sich die einfache und schnelle Programmierung mit dem verringertem Platz- und Materialaufwand beim Wegfall von Schutzgittern verbinden und somit eine günstige Lösung zur Automatisierung realisieren.